Dokumentationsfilm beleuchtet Forschung zu PIEZO-Proteinen am MPL
Proteine, oftmals auch als Eiweiße bezeichnet, sind lebensnotwendige Bestandteile des menschlichen und tierischen Körpers. Sie liefern nicht nur Bausteine für Strukturen und Gewebe, sondern übernehmen zentrale Aufgaben beispielsweise im Stoffwechsel, bei der Immunabwehr und bei der internen Kommunikation. Sogenannte PIEZO-Proteine spielen unter anderem eine entscheidende Rolle dabei, dass Berührungen oder Druck auf der Haut wahrgenommen werden können. Wie sie auf molekulare Ebene funktionieren, erforschen Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts (MPL) und Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin (MPZPM) mit spezifischen optischen Methoden und ist ein Thema der aktuellen Folge der Sendung ›Wissen hoch 2‹ auf 3sat.

PIEZO-Proteine haben große medizinische Relevanz
PIEZO-Proteine sind essenziell für zahlreiche physiologische Prozesse, darunter die Regulation des Blutdrucks, die Funktion sensorischer Neuronen und die Homöostase in Geweben. Sie stehen zudem im Zusammenhang mit pathophysiologischen Zuständen wie Bluthochdruck, Osteoarthritis und mechanisch induzierten Lungenerkrankungen. Ihre Untersuchung liefert wertvolle Einblicke in die Mechanismen der mechanotransduktiven Signalweiterleitung und eröffnet neue Perspektiven für therapeutische Ansätze.
Mechanische Belastungen lösen Konformationsänderung aus
PIEZO-Proteine bilden sehr kleine Poren in der Zellmembran. Diese mechanosensitiven Ionenkanäle spielen eine zentrale Rolle bei der Detektion und Weiterleitung mechanischer Reize wie Druck oder Dehnung. Die Druckänderung auf der Zellmembran führt zu einer Konformationsänderung der Proteinstruktur. Dadurch öffnen sich die Membranporen und Ionen, wie Kalzium (Ca²⁺) oder Natrium (Na⁺), können selektiv in die Zelle einströmen. Dieser Ioneneinstrom löst wiederum eine intrazelluläre Signaltransduktionskaskade und entsprechende Antwort aus.
Den molekularen Mechanismen des Berührungssinns auf der Spur
Erkenntnis über die komplexe und variable Molekülstruktur des PIEZO-Proteins erhalten die Forscher*innen der Abteilung ›Nanooptik‹ am MPL unter Leitung des Direktors Prof. Vahid Sandoghdar in der Betrachtung unter einem Kryolichtmikroskop. Das Team entwickelt neuartige optische Methoden, um Moleküle und Teilchen auf der Nanometer-Skala zu untersuchen. Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters. Das Messprinzip basiert auf der ultrapräzisen Detektion einzelner Moleküle. Dazu markieren die Wissenschaftler*innen jedes Protein mit drei fluoreszierenden Molekülen, die wie kleine Taschenlampen ihre Position und damit die dreidimensionale Struktur des Proteins verraten. Üblicherweise verbleichen diese Moleküle bei Raumtemperatur sehr schnell, was eine präzise Messung verhindern würde. Die MPL- Forscher*innen haben eine Methode entwickelt, mit der die Lebensdauer der Farbmoleküle drastisch verlängert werden kann. Dazu gefrieren sie die Proben bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ein. Durch ein eigens entwickeltes, komplexes technisches Verfahren werden die Proteine schockgefrostet, ohne dass ihre Struktur durch den Gefrierprozess zerstört wird. Die Moleküle haben nun die Eigenschaft, wie kleine Leuchttürme zufällig an und auszugehen. Diesen Effekt machen sich die Wissenschaftler*innen zunutze, um die genaue Lage der Moleküle auf der sub-Nanometerskala zu bestimmen. „Das Blinken verrät uns die tatsächliche Struktur der Proteine und wie sie ihre Form verändern, während die Zelle aktiv ist. Dadurch verstehen wir, wie dieses PIEZO-Protein tatsächlich funktioniert“, erklärt Hisham Mazal aus der Forschungsabteilung von Prof. Vahid Sandoghdar.

Elektronenmikroskopische Untersuchungen haben gezeigt, dass das PIEZO-Protein zwei Konformationszustände besitzt: offen und geschlossen. Allerdings reicht die Sensitivität dieser Methode nicht aus, um die genauen Abläufe im PIEZO-Protein zu entschlüsseln. „Erst die Kombination der beiden Ansätze – Fluoreszenzmarkierung und Kryolichtmikroskopie – hat uns neue Nuancen zwischen den offenen und geschlossenen Konformationen offenbart“, sagt Prof. Vahid Sandoghdar. Die Wissenschaftler*innen profitieren dabei von der hohen Spezifität der Markierung und einem Auflösungsvermögen der Kryolichtmikroskopie, das nahezu an die molekulare Auflösung reicht. Das Forschungsfeld ist noch jung und bietet ein entsprechend großes Potenzial für neue Beobachtungen. „Wir und tausende andere wissenschaftliche Gruppen arbeiten an Erkenntnissen, die man sehr mühsam gewinnt. Erst wenn man alle diese zusammenführt, weiß man ein bisschen mehr.“
Die komplette Folge mit dem Titel ›Die Protein-Revolution‹ können Sie hier ansehen. Die PIEZO-Proteine und die Forschung am MPL kommen ab 31:36min vor.