Mechanobiologie von Geweben

Forschungsgruppe Benoît Ladoux

Willkommen bei der Forschungsgruppe Mechanobiologie von Geweben

Über die Forschungsgruppe und ihre Vision

Die Erkennung und Weiterleitung mechanischer Signale auf zellulärer Ebene sind wesentliche Faktoren, die die Form des Organismus und seine Funktion steuern. Bei bestimmten Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Problemen ist dieser Prozess beeinträchtigt. Von der Zelle werden Kräfte und mechanische Eigenschaften der Umgebung erkannt. Die sogenannte Mechanobiologie umfasst alle Ansätze, die verdeutlichen, dass die meisten biologischen Prozesse auf mechanische Kräfte reagieren und das auf verschiedenen Ebenen, von Molekülen bis hin zu Organismen. Einige Grundlagen dieser Disziplin finden sich in der von D'Arcy Thompson 1917 veröffentlichten Abhandlung "On Growth and Form", in welcher er postuliert, dass die Morphogenese durch Kräfte und Bewegungen erklärt werden kann. Unsere Forschung bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Physik und Biologie.

Was ist der Gegenstand der Forschung?

In diesem Zusammenhang untersucht unser Team die physikalischen Prinzipien, die die Selbstorganisation von Zell- und Gewebesystemen sowie ihre Anpassung an mechanische Zwänge der Umwelt bestimmen. Wir entwickeln neue Technologien, die Mechanismen in lebenden Objekten nachahmen. Somit können wir die physikalischen Eigenschaften, die das Wachstum, die Bewegung, die Invasion und die Umgestaltung von Zellen und Geweben bestimmen, kartieren und manipulieren. Durch die Kombination dieser physikalischen Informationen mit molekularen Störeinflussen und theoretischen Modellen erforschen wir die Prinzipien, die die Interaktion zwischen chemischen und physikalischen Signalen in lebenden Geweben regulieren.

Welche drängenden Fragen werden erforscht?

Unsere Forschung zielt darauf ab zu verstehen, wie zelladhäsionsassoziierte Mechanotransduktion und Mechanosensorik das Verhalten von Zellen und die Gewebemechanik regulieren. In diesem Zusammenhang untersuchen wir, wie die Zusammenarbeit zwischen Adhäsion, mechanischer und biochemischer Signalgebung dazu führt, dass lebende Zellen sich an Veränderungen in ihrer physikalischen Umgebung anpassen. Dies erforschen wir auf verschiedenen Ebenen, die von einzelnen Molekülen bis zu Geweben reichen. Unsere innovativen Studien zielen auf die Charakterisierung und Modellierung der biomechanischen Eigenschaften von Epithelgeweben ab. Dabei liegt unser Hauptaugenmerk auf kollektiven Bewegungen innerhalb epithelialer Schichten, Wundheilung und Zellextrusion.

Warum ist dies relevant?

Das allgemeine Gebiet der Mechanobiologie entwickelt sich derzeit in Richtung einer stärker integrierten Forschung zwischen Physik, Biologie, Chemie und Medizin und der Kombination von in vitro- und in vivo-Expertise. Unsere Forschung ist von Bedeutung für physiologische und pathologische Prozesse wie die Morphogenese, Wundheilung, Alterung und Krebsmetastasierung.

Forschungsüberblick

Kollektive Zellmigration

Wir untersuchen die Mechanismen, die dem kollektiven Verhalten von Zellen zugrunde liegen. Unser Ziel ist es, sowohl aus physikalischer als auch aus biologischer Sicht zu entschlüsseln, wie Kraftübertragung und biomechanische Signale an Zell-Zell-Kontakten die Polarisierung auf mehreren Ebenen unterstützen. Wir wollen herausfinden, wie die Krafterzeugung durch das Zytoskelett und die interzelluläre Kraftübertragung an der Zellpolarisation und  -koordination während der kollektiven epithelialen Zellmigration in einem vereinfachten Modellsystem in vitro beteiligt sind. Wir untersuchen die Entstehung der Zellpolarisation von der Einzelzelle bis hin zu multizellulären Verbänden. Wir analysieren, wie die mechanische Kopplung an Zellkontakten Symmetriebrüche über die Ebene der einzelnen Zelle hinaus hervorruft, charakterisieren die koordinierte Polarisierung, die während der kollektiven Zellmigration entsteht, und bestimmen, wie interzelluläre mechano-chemische Hinweise die Polarisierung auf der Ebene des Gewebes regulieren.


 

Gewebehomöostase und Zellextrusion

Epithelien sind Ansammlungen mehrerer Zellen, deren komplexes dynamisches Verhalten auf physikalischen Eigenschaften beruht. Dazu zählen Mechanismen zum Verklemmen und Entklemmen, aktive Turbulenz und aktive nematische Prinzipien. Für die Aufrechterhaltung der Barrierefunktion und -integrität ist die Homöostase von Epithelien entscheidend, während Epithelzellen permanent durch die Umwelt herausgefordert werden. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind Epithelien dynamisch und müssen sich ständig mit Zellerneuerung und Zellextrusion auseinandersetzen. Für das Gleichgewicht dieser Prozesse ist die Homöostase von Epithelien entscheidend. Darüber hinaus ist die Zellextrusion eine der Hauptursachen für Veränderungen der Gewebeform und das Fortschreiten von Tumoren. Aus aktiven Kräften benachbarter Zellen und den passiven physikalischen Eigenschaften ihrer Umgebung resultieren mechanische Zwänge. Wir untersuchen wie diese Zwänge, die Art und Weise der Zellextrusion und das Schicksal der extrudierten Zellen bestimmen können.


 

Zelluläre Monolayer als aktive Nematiken

Um besser zu verstehen, wie sich Zellen kollektiv selbst organisieren, nutzen wir in unserer Forschung die Analogie zwischen der aktiven Natur von biologischem Gewebe und nematischen Flüssigkristallen. Wie Flüssigkristalle können Zellpopulationen parallel zueinander angeordnet sein, wobei ihre „langen“ Seiten alle in dieselbe Richtung zeigen. In Anlehnung an diese Analogie weisen sie auch Bereiche mit Ausrichtungsfehlern auf, die als „topologische Defekte“ bezeichnet werden. Wir untersuchen, wie diese physikalischen Eigenschaften die Gewebedynamik, einschließlich Adhäsion, Integrität und Bewegung, verändern können.


 

Zellrheologie

Wir untersuchen die Beziehung zwischen den rheologischen Eigenschaften des Zytoskeletts und der Steifigkeit der Matrix. Gleichzeitig verfolgen wir die Organisation des Zytoskeletts, die Zugkräfte und die Reaktionen der Zellen. Wir entwickeln mikromechanische Werkzeuge zur Analyse der zellulären Anpassung an äußere Reize.

 

 


 

Zellkonkurrenz

Zellkonkurrenz ist ein Mechanismus der Gewebeüberwachung, der für die Entwicklung, Infektionspathologie und Tumorentstehung von Bedeutung ist. Bei diesen Prozessen werden Zellen mit geringerer Fitness im Vergleich zu ihrer Umgebung verdrängt und eliminiert. Um den möglichen Beitrag der Mechanik zu diesem Prozess zu verstehen, untersuchen wir die Zellkonkurrenz in gemischten Zellpopulationen anhand umfangreicher zellulärer Modelle.


 

Kontakt

Principal Investigator Professor Benoît Ladoux

Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin
Kussmaulallee 2
91054 Erlangen, Germany

benoit.ladoux@mpzpm.mpg.de

 

Professor Benoît Ladoux

"Es gibt nicht nur falsche Antworten, es gibt auch falsche Fragen.”
 – Gilles Deleuze

 


Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin gewinnt mit Benoît Ladoux einen weiteren Humbold-Professor und erweitert das Forschungsspektrum

Der Physiker Benoît Ladoux erfoscht seit Mai mit seiner Gruppe > Gewebe-Mechanobiolgie < am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin, welche Rolle mechanische Zwänge und Kräfte in multizellulären lebenden Organismen spielen. Mit Ladoux gewinnt das MPZPM nicht nur einen weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Biophysik, sondern zählt neben Prof. Franze, Prof. Guck (Sprecher des…

Mehr dazu

Kooperationspartner

Graduierten Programm